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Ein Buch wie eine nostalgische Reise mit der Tramway: Wiener Traditionsbetriebe – Ein Stück vom alten Wien

4. Mai 2020

Dieses Buch von Freya Martin liest man nicht einfach, das gönnt man sich zum entspannten Schmökern und nostalgisch Dahinschwelgen. Wer kennt sie nicht, die bekannten Wiener Traditionsbetriebe wie Almdudler, Anker, STAUD’S, Piatnik oder Nägele & Strubell.

Worum es geht

Es geht um die Geschichte und Menschen hinter legendären Wiener Familienbetrieben mit Tradition. Damals ein Stück Alltagsleben, spüren wir gerade heute den besonderen Charme und die Unverwechselbarkeit dieser Traditionsgeschäfte in den verschiedensten Wiener Bezirken. Es geht auch um die einzigartige, generationenübergreifende Qualität und die besondere Aufmerksamkeit dem Kunden gegenüber, der damals wie heute König ist.

3 Emotionen als Nebenwirkung beim Lesen dieses Buches

#emotion1: Die nostalgischen Aufnahmen vom alten Wien, den UnternehmerInnen, deren Werbekampagnen von anno dazumal oder auch zerbombte Gebäude berühren auf besondere Weise.

#emotion2: Die Menschen dahinter durften oftmals den kaiserlichen Hof in Wien – teilweise mit Pferdewagen – beliefern, mussten harte Kriegsjahre überstehen, leisteten fantastische Aufbauarbeit und legten unglaubliche Erfolgsgeschichten hin. Das kann man nur mit einem inneren kräftigen ‚Chapeau‘ hinnehmen.

#emotion3: Man kommt drauf, dass das Wiener Stadtbild ohne diese Traditionsbetriebe nicht das wäre, was es bis heute ist. Ein echt wienerisches Lebensgefühl eben!

Detail am Rande

Bemerkenswert habe ich gefunden, dass ein Großteil der Gründer der Wiener Familien- und Traditionsunternehmen nicht in der österreichischen Metropole, sondern im Schwabenland, in Nordböhmen oder Südungarn geboren wurden. Heute zählen sie zum Stück vom alten und neuen Wien.

Eine nostalgische Reise durch traditionelle Familienunternehmen – wer ist dabei?

Die bekannte Wiener Sektkellerei Kattus, das 1857 vom tüchtigen Geschäftsmann Johann Kattus gegründet wurde und heute bereits in fünfter Generation in Döbling familiengeführt ist. Das Buch erzählt die faszinierende Geschichte der Kaufmannssöhne Franz Huber und Peter Lerner, die in ihrer Papierhandlung Kaiserin Zita oder Franz Lehar persönlich bedienten. Legendär war die exklusive Füllfederkollektion. Nach dem Anfang 1901 in der Rotenturmstraße übersiedelte Huber & Lerner in die Weihburggasse.
1913 kaufte der in Nordböhmen geborene Zuckerbäcker Josef Prousek einen Konditoreibetrieb in der Wiener Porzellangasse. Die rosa Erfolgsgeschichte der Konditoreigeschäfte von AIDA begann und entzückte die Wiener mit wohlschmeckenden Backwaren. In der Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg wurden Donuts und Eiscreme für das amerikanische Rote Kreuz produziert. Heute betreibt der Urenkel in vierter Generation den Familienbetrieb.

JägerTEE wurde als ältestes Teefachgeschäft Wiens schon 1862 vor Fertigstellung der Wiener Staatsoper eröffnet. Mittels Pferdewagen wurden anno dazumal Premium-Teespezialitäten zu leistbaren Preisen geliefert. Die Gründer Herr Jäger und Josef Einzenberger bezogen schon damals Teesorten ausschließlich von Lieferanten, die man persönlich kannte und von kleinen, ausgewählten Plantagen. Auch heute noch bekommen die Kunden persönliche Teemischungen, die auf alten Familienrezepten basieren.

1883 wurde der Obst- und Gemüsegroßhandel und Familienbetrieb von Johann Staud am Wiener Brunnenmarkt gegründet. Jahre später legte der Qualitätsfanatiker und Marmeladenkönig von Wien, Hans Staud, eine fulminanten Erfolgsgeschichte hin: STAUD’S WIEN punktet bis heute mit feinsten eingelegten Gemüsedelikatessen, fruchtigen Konfitüren, Kompotten und Sirupen.

Es gibt noch einen Posamentriebetrieb in Wien: Während Ende des 19. Jahrhunderts noch rund 80 davon die Wiener Bevölkerung mit Dingen zum Verschönen wie Schmaltextilien, Bändern, Borten, Kappenkordeln oder Schnüren versorgten, ist M. Maurer heute der einzige Posamentiebetrieb. Frei nach dem Motto „Von der Wiege bis zur Bahre, hat man unsere Ware“ wird nach wie vor in der Kandlgasse unter Albert Maurer vieles von Hand gefertigt

Jahrzehntelang prägten die Ankerbrot-Fuhrwerke das Wiener Stadtbild und verströmten den herrlichen Duft nach frischem Brot und Gebäck. 1891 gründete das jüdische Brüderpaar Heinrich und Fritz Mendl die Wiener Brot- und Gebäckfabrik. Ankerbrot setzte schon damals mit innovativen Teigmaschinen und unkonventionellen Werbekampagnen neue Maßstäbe. Die riesige Verladehalle in der Ankerfabrik – damals in Favoriten – wurde von der Bevölkerung auch „Brotbahnhof“ genannt. In den 30er Jahren war der Anker-Striezel am Sonntag ein echtes Kulturgut. Trotz schwierigster Kriegsjahre samt Bombenangriffen und Plünderungen prägen die zahlreichen Filialen heute noch das Wiener Bäckergeschäft.

Schon 1880 hatten viele Wienerinnen und Wiener einen Hang zum Luxus. Nägele & Strubell bediente diese Leidenschaft mit exklusiven Parfümerie– und Drogeriewaren – das lockte auch die aristokratische Gesellschaft in die noblen Pforten am Graben. Mit hauseigenen Parfümerzeugungen, die in edlen Kristallflakons abgefüllt wurden, und duftenden Seifen, die einzeln und in Seidenpapier abgepackt wurden, eroberte man die Stadt.

 

Über alle weiteren beeindruckenden Wiener Traditionsbetriebe könnt ihr gerne direkt im Buch nachlesen.

Über die Autorin

Freya Martin wurde in Klagenfurt geboren und widmete sich dem Studium der deutschen Philologie und Theaterwissenschaft in Wien. Seit 2008 ist sie als Autorin tätig, und veröffentlichte  unter anderem Werke wie „Der Nitsch und seine Freunde“, „Was Wien ausmacht“ und seit einigen Jahren die beliebten Bildbände mit Porträts über die Wiener Traditions- und Familienunternehmen.

Brittas Schreiberei hofft, dass euch dieses Buch auch ein nostalgisches Lesevergnügen mit dem guten Geschmack von Traditionsbetrieben bereitet.

Wiener Traditionsbetriebe
Ein Stück vom alten Wien
suttonverlag.de
Hardcover
ISBN 978-3-96303-103-8

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